AKTUELLE STELLUNGNAHME

Der Mann, dessen Projekt wir bis 2021 unterstützt haben, wird in Kenia des sexuellen Missbrauchs beschuldigt. Er wurde von seinen eigenen Mitarbeitern angezeigt und befindet sich in Untersuchungshaft.

Darüber berichtete auch der SWR am 27.4.2023 in seiner Sendung „Zur Sache Baden-Württemberg“:
Hier die vollständige STELLUNGNAHME des Vereinsvorsitzenden an den SWR, die dann dem SPIEGEL weitergereicht wurde:

Die Vorkommisse im Fall Martin Baumgärtner haben Vorstand und Mitglieder des Vereins Karunga sehr betroffen gemacht und beschäftigen uns nachhaltig.
Wir verfolgen diese Thematik seit 2016, als wir über die Vorgänge in den 80er Jahren erfahren haben. Seinerzeit haben wir alle bekannten Fakten, Mutmaßungen und relevanten Dimensionen sorgfältig abgewogen und danach in der Tat entschieden, das von Herrn Baumgärtner initiierte Landwirtschaftliche Entwicklungsprojekt weiter zu unterstützen, allerdings mit hoher Wachsamkeit für mögliche Gefährdungen von Kindeswohl oder von jungen Erwachsenen, die in einem wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis zu Herrn Baumgärtner standen. Aktuelle einschlägige Vorkommnisse waren damals jedoch nicht bekannt und wurden bei verschiedentlichen Nachfragen verneint.

Inzwischen haben wir dennoch von sexuellen Übergriffen erfahren müssen, die es nicht hätte geben dürfen. Durch unseren Rückzug aus dem Projekt wären sie nicht vermieden worden.
Die Kontakte zu den bisherigen Mitarbeitern der Farm und ihr gewachsenes Vertrauen haben jetzt dazu beigetragen, dass es zu einer erfolgreichen Anzeige kam. Andernfalls wären die Vorkommnisse heute kaum vor einem kenianischen Gericht.
Unsere aktive Sorge gilt heute den Betroffenen in Kenia. Weitere öffentliche Informationen erscheinen uns nicht sachdienlich. Ich bitte um Verständnis, dass ich für ein TV-Interview nicht zu Verfügung stehe.

In der SWR-Sendung wurde diese Stellungnahme auf einen einzigen Satz verkürzt: „Durch unseren Rückzug aus dem Projekt wären [die sexuellen Übergriffe] nicht vermieden worden.“ 
Diese verstümmelte Version erweckt im Kontext der Sendung den Eindruck, als hätten wir die Möglichkeit von Übergriffen auf die leichte Schulter genommen und das Projekt unkritisch weiter unterstützt.

Tatsächlich haben wir nicht weggeschaut, sondern die Jahre danach die Situation vor Ort kritisch im Blick behalten, mit Herrn Baumgärtner thematisiert wie auch bei Mitarbeitern nachgefragt, u.a. bei Projektbesuchen 2017 und 2018 . Das wäre nicht möglich gewesen, hätte der Verein die Verbindung zum Projekt bereits 2016/2017 eingestellt. Wir haben Herrn Baumgärtner klar kommuniziert, dass solche Vorkommnisse, wenn es sie auf dem Hof gäbe oder gegeben habe, für uns intolerabel wären.

Bis zum Ende der Unterstützung des Projekts von Herrn Baumgärtner – faktisch im Februar 2021 – gab es keinerlei Hinweise auf tatsächliche sexuelle Übergriffe auf dem Projekthof, sondern allein Kenntnisse von zwei Vorfällen in seinen späten Jugendjahren, die 35 Jahre zurück lagen.

Einmal Täter – immer Täter“ – diese These erschien uns zu einfach, um das Gefährdungspotential zu bestimmen und die schwierige Frage zu entscheiden, ob wir das Projekt für Ländliche Entwicklung und Kleinbauern weiter unterstützen können. Das Projekt galt allseits als beispielhaft, mit dem richtigen Ansatz, es war konkret und direkt bei denen, die Hilfe brauchten. Die Unterstützung einzustellen, hätte mit all ihren Konsequenzen verantwortet werden müssen: das Projektziel „Hilfe für die Kleinbauern“ wäre aufgegeben worden. Die im Projekt beschäftigten Erwachsenen hätten ihren Arbeitsplatz verloren, mit dem sie ihre Familien ernähren konnten. Solche Aspekte abzuwägen erschien den Kritikern nicht angemessen; sie bestritten teilweise überhaupt, dass die Projektziele ernsthaft verfolgt würden.

Gleichwohl müssen wir im Nachhinein anerkennen, dass wir mit unserer Einschätzung von Herrn Baumgärtner falsch lagen und uns von ihm auch haben täuschen lassen. Wir sind bestürzt und schockiert über die Vorfälle, die jetzt ans Tageslicht kommen. Wir bedauern außerordentlich, dass wir die Übergriffe nicht verhindern konnten.
Die fortbestehenden Kontakte haben es für Martin Baumgärtner immerhin riskanter gemacht, die „Gelegenheitsstrukturen“ auszunutzen.

Als im Dezember 2022 Betroffene sich mit der Bitte um Rat und Hilfe an mich wandten, habe ich sie uneingeschränkt unterstützt, begleitet und ermutigt, über die Vorfälle mit der vermittelten Kontaktperson zu sprechen. Dafür waren und sind die Betroffenen sehr dankbar. Ohne das Vertrauen zum Vereinsvorstand hätten sie kaum den Mut gefasst, das Erlebte zur Anzeige zu bringen.

Wir hoffen mit ihnen, dass sie jetzt Gerechtigkeit erfahren. Wir begleiten sie weiterhin und tun, was in unserer Möglichkeit steht, dass sie ihre schlimmen Erfahrungen bewältigen und dass sie eine neue berufliche und wirtschaftliche Perspektive finden.

Heilbronn, 30. April 2023, Peter Seitz, Vorstand

Statement bei SWR4 am 2.5.2023
https://www.swr.de/~embed/swraktuell/baden-wuerttemberg/heilbronn/peter-seitz-vom-foerderverein-karunga-zum-missbrauchsfall-in-kenia-100.html